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28.05.2024

Wir brauchen dringend eine "Agenda 2030"!

Die neue Ausgabe der Lupus alpha Kolumne leitwolfs view

Unternehmenssteuern, Lohnsteuer und Sozialabgaben, Lohnstückkosten - in allen Bereichen belegt Deutschland traurige Spitzenplätze. Diese Standortnachteile schwächen nicht nur den Investitionswillen der Unternehmen, sondern erschweren es auch, den Fachkräftemangel durch gezielte Zuwanderung zu lindern. Denn welcher gut ausgebildete Ausländer will 48 Prozent seines Gehalts für den Staat abgeben? Höchste Zeit für tiefgreifende Reformen à la "Agenda 2010".

von Ralf Lochmüller, Gründungspartner und CEO von Lupus alpha

Die jüngste Steuerschätzung hat für Katerstimmung in den Ministerien gesorgt, müssen die meisten Ressorts ihren für 2025 angemeldeten Bedarf nun doch deutlich zurückschrauben. Und auch der übliche Streit flammt wieder auf: SPD und Grüne wehren sich gegen eine strenge Konsolidierung und warnen, "dass ein Sparkurs die ökonomische Lage weiter verschlechtern und den sozialen Frieden bedrohen würde". Die FDP dagegen will keine zusätzlichen Schulden machen und fordert eine "Wirtschaftswende".

Vermutlich sind Sie von dem stereotypen Dauerstreit unter den Koalitionspartnern genauso genervt wie ich. Aber abgesehen davon zeigen die Zahlen, wie dringend der Handlungsbedarf in unserem Land ist. Die Situation erinnert ein wenig an das Jahr 2003, als Deutschland mit einem starren, festgefahrenen Arbeitsmarkt, ausufernden Sozialleistungen und den Kosten der Wiedervereinigung gekämpft hat. Damals hat die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder im Rahmen ihrer "Agenda 2010" mit tiefgreifenden Reformen erfolgreich für neues Wachstum gesorgt. Das war praktisch das letzte Mal, dass Maßnahmen zur Verbesserung des Standorts Deutschland ernsthaft angegangen wurden.

Standortpolitik ist in Deutschland aus der Mode gekommen

Statt eine konstruktive Standortdebatte zu führen, wird sowohl von der Regierung als auch vom Sachverständigenrat heute schwammig von "fehlender Wettbewerbsfähigkeit" gesprochen, wenn es um die Investitionsbedingungen in Deutschland geht. Das ist symptomatisch für die Angst unserer Regierung vor echten Reformen (die im Gegensatz zu Subventionen ja weh tun und im Zweifel Wählerstimmen kosten).

Vor allem zeigt es aber den grundlegenden Wandel im Verständnis von Wirtschaftspolitik: Die Regierung, genauer SPD und Grüne, sind der Ansicht, dass die Politik fördernd eingreifen müsse, um für Unternehmen und Bevölkerung den Wohlstand zu sichern. Die Idee der bestmöglichen Standortbedingungen geht jedoch davon aus, dass der Staat sich zurücknimmt und lediglich den Rahmen schafft, um Unternehmen und ihren Beschäftigten eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen.

Ludwig Erhard wird gründlich falsch verstanden

Es waren genau diese ordnungspolitischen Grundsätze, die das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard ausgemacht haben. Auf der einen Seite hat man privaten Unternehmern Raum gegeben, unternehmerisch aktiv zu werden. Auf der anderen Seite hat man durch soziale Standards sichergestellt, dass die Arbeitnehmerseite nicht vernachlässigt wird. Dieses Konzept hat der Staat im Laufe der letzten Jahre durch immer mehr staatliche Hilfen, Steuererleichterungen und Subventionen systematisch aus dem Gleichgewicht gebracht. Damit hat sich in Deutschland die ungesunde Anspruchshaltung manifestiert, dass der Staat für jedes Problem eine Lösung und Förderung hat.

Staatliche Eingriffe verhindern jedoch nicht nur einen notwendigen Strukturwandel. Sie erschweren es auch, den Fachkräftemangel durch gezielte Zuwanderung zu lindern - eine mit viel Hoffnung besetzte Maßnahme, um aus der Demografiefalle zu kommen. Gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland werden es sich jedoch gut überlegen, ob Deutschland adäquate Bedingungen für einen Neuanfang bietet. Hier lohnt ein Blick auf die Fakten.

Hochsteuerland Deutschland

Dass Deutschland bei wichtigen Themen wie Digitalisierung, Bildung und Infrastruktur in internationalen Rankings bestenfalls noch im Mittelfeld liegt, ist hinreichend bekannt. Aber auch bei den klassischen Standortindikatoren, wie den Steuern, belegt Deutschland traurige Spitzenplätze1:

Unternehmenssteuern: Die Ertragssteuer für Unternehmen in Deutschland liegt mit fast 30 Prozent weit oben, deutlich vor Ländern wie den USA (26 Prozent), Schweden (21 Prozent) oder der Schweiz (20 Prozent).

Lohnsteuer und Sozialabgaben: Hier sieht es noch düsterer aus. Deutschland belegt mit einem Anteil von fast 48 Prozent (für Alleinstehende ohne Kinder) den wenig ruhmreichen zweiten Platz hinter Belgien mit 53 Prozent. Eine Familie mit einem Alleinverdiener und zwei Kindern gibt in Deutschland immerhin noch 33 Prozent ihres Gehalts an den Staat ab.

Lohnstückkosten: Seit 2015 sind die Lohnstückkosten in Deutschland um 26 Prozent gestiegen, vor allem als Folge höherer Löhne, weniger in Folge eines geringen Produktivitätszuwachses. In Schweden, USA, Griechenland und Japan sind die Lohnstückkosten dagegen zwischen 34 und 25 Prozent gefallen. Unverständlich, aber wahr: Bundeskanzler Olaf Scholz will in dieser Situation einen Mindestlohn von 15 Euro zu seinem Wahlkampfthema machen...

Deutschland braucht jetzt eine "Agenda 2030"

Folgende Maßnahmen sollten dabei Priorität haben:

1. Staatsquote zurückfahren. Der Staat ist bekanntlich kein guter Unternehmer. Woher will er auch wissen, welche Branchen, Unternehmen und Technologien sich zukünftig durchsetzen werden? Der Staat maßt sich damit ein Fortschrittswissen an, das er nicht haben kann – und fördert womöglich unternehmerische Aktivitäten, die auch ohne staatliche Hilfe erfolgreich gewesen wären. Oder eben solche, die sich später als ineffizient herausstellen.

2. Bürokratien abbauen. Deutschland muss dringend bürokratische Hemmnisse beseitigen und seine Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Während Unternehmen bei uns häufig Steine in den Weg gelegt bekommen, laufen diese Prozesse in anderen Ländern wesentlich unkomplizierter. Aber statt Bürokratien abzubauen, werden, wie mit dem Lieferkettengesetz, ungebremst neue aufgebaut. Es ist höchste Zeit für die Verabschiedung und Umsetzung des Bürokratieentlastungsgesetzes (IV)!

3. Steuern senken. Gerade jetzt sind Steuersenkungen und bessere Abschreibungsregeln erforderlich, um Investitionen und damit das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Der kurzfristige Rückgang bei den Steuereinnahmen kann so mittelfristig überkompensiert werden. Das stark geschrumpfte Wachstumschancengesetz enthält hierfür erste Ansätze. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, wäre ein sinnvoller Schritt, ebenso wie die Senkung der Körperschaftssteuer ein starkes Signal wäre, dass Deutschland es mit der Verbesserung der Standortbedingungen für Unternehmen ernst meint.

4. Rahmenbedingungen verbessern. Wenn schon Staatsgeld, dann gehört es in bessere Rahmenbedingungen, nicht in einzelne Branchen oder Unternehmen. Es gehört zum Beispiel in die digitale Infrastruktur, in leistungsfähige Verkehrswege, ebenso wie in den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze. Und natürlich in gute Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

 

Liebe Politiker, es ist höchste Zeit für eine "Agenda 2030". Traut Euch endlich an die notwendigen Reformen heran!

 

1 Quelle: OECD

 

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