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leitwolfs view - Kolumne von Lupus alpha
26.11.2024

Trotz Ampel-Aus: Die Altersvorsorge muss dringend reformiert werden!

Die neue Ausgabe der Lupus alpha Kolumne leitwolfs view

1960 finanzierten noch sechs Beitragszahler einen Rentner, im Jahr 2030 werden es nur noch 1,5 Beitragszahler pro Rentner sein. Dass die Sozialbeiträge dadurch explodiert sind und zu immer höheren Belastungen für die jüngere Generation geführt haben, ist leider nichts Neues. Nur von der Politik werden die Fakten seit Jahren ignoriert oder je nach politischer Couleur „ausgestaltet“. Umso erstaunlicher, dass sich die bisherige Regierung an eine grundlegende Reform der Altersvorsorge herangetraut hatte. Nun liegen die Pläne leider bis zur Neuwahl auf Eis. Dennoch - oder vielmehr: jetzt erst recht - ist die Reform dringend und verdient eine Würdigung.

von Ralf Lochmüller, Gründungspartner und CEO von Lupus alpha

Werfen wir zuerst einen Blick auf die Reformpläne der bisherigen Regierung:

Bei der gesetzlichen Rente, der ersten der drei Säulen, soll die Berechnung der jährlichen Rentenerhöhung so geändert werden, dass diese von 2026 an wieder höher ausfallen plus einer Garantie bis 2040, dass die Renten nicht unter 48 % des Durchschnittslohns fallen können. Außerdem soll ein aktienbasiertes Generationenkapital eingeführt werden, aus dem ab 2036 jährliche Ausschüttungen in Höhe von 10 Milliarden Euro zu erwarten sind, die die Rentenversicherung entlasten sollen.

Der Aufbau eines Generationenkapitals ist zwar eine gute und innovative Idee, da zum ersten Mal ein Kapitalmarkt-Bezug in die gesetzliche Rente aufgenommen werden soll. Die Entlastung daraus ist jedoch verschwindend gering, wenn man die gigantisch hohen Kosten betrachtet: Die Reformpläne für die erste Säule verursachen - vor allem durch die teure Rentengarantie - Mehrausgaben von über 500 Mrd. Euro! Kosten, die einfach auf die jüngere Generation abgewälzt werden.

Was mich nur wundert, ist, dass die jungen Menschen das alles so kampflos hinnehmen. Ein FAZ-Redakteur hat vor kurzem treffend gefragt: „Wo bleiben eigentlich bei diesem so wichtigen Thema die 'Fridays for Vorsorge'?“ Aber vielleicht sind die jungen Menschen auch einfach nur schlau. Sie wissen, dass bei der staatlichen Rente für sie nichts zu holen ist und setzen darauf, selbst ertragsstark vorzusorgen. Richtig so! Denn so bitter die Erkenntnis ist, aber die gesetzliche Rente ist nicht reformierbar.

Der Ausbau der zweiten und dritten Säule muss es rausreißen

Die betriebliche Rente, die zweite Säule unserer Altersversorgung, ist in Deutschland grundsätzlich sehr beliebt und hat eine lange Tradition. Das Problem ist nur, dass die Verbreitung immer noch zu gering ist. Derzeit haben 54 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten Anspruch auf eine Betriebsrente. Also nur jeder Zweite. Das ist viel zu wenig! Dabei ist mehr möglich: In der Kredit- und Versicherungswirtschaft haben 90 % der Angestellten Anspruch auf eine Zusatzrente.

Warum das so ist, zeigt mein eigenes Beispiel: Ich habe vor kurzem meinen Rentenbescheid vom Versorgungswerk der Finanzwirtschaft bekommen. Mit Erreichen meines 65. Lebensjahres werde ich eine monatliche Rente in Höhe von 1.458 Euro erhalten. Jetzt werden Sie sich vielleicht fragen: Ist das eigentlich viel oder wenig für den Lochmüller? Genau das habe ich mich auch gefragt!

Dazu muss man wissen, dass ich 1983 in Duisburg eine Banklehre gemacht habe und seitdem im Finanzgewerbe tätig bin und in die betriebliche Rentenversicherung einzahle. Die erste monatliche Einzahlung betrug damals 80 DM, also 40 Euro, von denen ich 1/3 bezahlt habe und mein Arbeitgeber 2/3. Ich war damals 22 Jahre alt und habe natürlich kein Stück über das Thema Altersvorsorge nachgedacht. Im Rückblick bin ich sehr froh, dass die Betriebsrente für mich damals verpflichtend war. Ich hatte also keine Wahl und konnte die 13 Euro beispielsweise nicht für ein Ticket für ein MSV Duisburg-Spiel ausgeben...

Betriebsrente: Neben stärkerer Verbreitung höhere Renditen erforderlich

Um auch in anderen Branchen eine so hohe Verbreitung der Betriebsrente zu erreichen, braucht es also einen leichten Zwang, zum Beispiel eine verpflichtende, automatische Entgeltumwandlung mit Opting Out. Wer die Betriebsrente als Arbeitnehmer nicht möchte, der muss sie aktiv kündigen. Das wäre ein echter "Gamechanger" für die betriebliche Altersversorgung in Deutschland!

Für mich gibt es aber noch eine weitere, wesentliche Stellschraube: Die betriebliche Altersversorgung kann deutlich mehr Rendite abwerfen. Meine 1.458 Euro pro Monat sind vielleicht nicht schlecht, aber 2.000 oder 2.500 Euro pro Monat wären natürlich besser! Ich bin sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen meines Versorgungswerks im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles gegeben haben. Aber genau das ist das Problem: Die Anlagemöglichkeiten sind zu restriktiv. Hier geht der Reformvorschlag ganz vorsichtig in die richtige Richtung, denn er sieht eine Flexibilisierung der Kapitalanlage vor. Allerdings ist die Ausprägung zu gering. Um die ganzen Chancen am Kapitalmarkt langfristig zu nutzen, braucht es Aktienquoten von 50 oder 60 %.

Das Altersvorsorgedepot ermöglicht endlich mehr Risiko in der Kapitalanlage

In Sachen private Altersvorsorge muss man die Ex-Ampel auch mal loben. Ihr Reformvorschlag für die dritte Säule ist tatsächlich überzeugend. Und er ist ebenso einfach wie transparent. Kaum zu glauben in einem überregulierten Land wie unserem!

Das Herzstück der Vorschläge ist ein privates Altersvorsorgedepot. Investiert werden kann bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Euro pro Jahr steuerfrei in Aktienfonds und ETFs, nach letztem Stand sogar in Einzelaktien. Dazu gibt der Staat für jeden selbst eingezahlten Euro 20 Cent. Geringverdiener, junge Menschen und Familien erhalten zusätzliche Boni obendrauf. Das Wichtigste dabei: Verpflichtende Garantien werden abgeschafft. Hier wird mit den Webfehlern der Vergangenheit endlich aufgeräumt. Wer auf Garantien jedoch nicht verzichten will, kann sich auch weiterhin für Riester-ähnliche Produkte entscheiden. Damit ist in der Kapitalanlage endlich mehr Risiko für die Altersvorsorge möglich. Das ist ein großer Schritt nach vorn!

Der Zinseszins oder das 8. Weltwunder

Worin liegt nun aber die eigentliche Überlegenheit des geplanten Altersvorsorgedepots? Sie liegt im Ausnutzen eines "alten Bekannten" des Finanzwesens - dem Zinseszins. Das Vorsorgedepot erlaubt nämlich ein konsequentes Sparen mit bis zu 100 Prozent Aktien. So lässt sich der Zinseszinseffekt effektiv nutzen. Ein Faktor, der beim langfristigen Vermögensaufbau immer wieder dramatisch unterschätzt wird... Auch Akademiker machen da keine Ausnahme. In meinen Bewerbungsgesprächen mit Uni-Absolventen stelle ich seit Jahren immer wieder dieselbe Frage: Was wird aus 100.000 Euro, wenn man sie 40 Jahre lang zu 7 % anlegt? Egal, wie gut die Noten sind und egal welche Kaderschmiede besucht wurde, kaum jemand kommt auf die richtige Antwort: Bei 7 % Rendite verdoppelt sich das Kapital alle 10 Jahre. Aus 100.000 Euro werden nach 10 Jahren demnach 200.000 Euro und nach weiteren 10 Jahren 400.000 Euro usw., nach 40 Jahren also beeindruckende 1,6 Mio. Euro!

Diese enorme Kraft des Zinseszinses lässt sich nutzen, um unsere private Altersvorsorge zu einer tragfähigen Säule auszubauen. Einstein hat ihn einst als das 8. Weltwunder bezeichnet. „Wer ihn versteht, verdient daran, alle anderen bezahlen ihn.“ Eine wahrhaft weise Aussage.

Man kann nur hoffen, dass das Altersvorsorgedepot unter der neuen Regierung schnell genehmigt und nicht wieder politisch zerrieben wird. Eigentlich müsste es konsensfähig sein und vor allem die Gewerkschaften und SPD überzeugen. Denn der Zinseszins ist zutiefst sozialistisch. Es ist nämlich für alle gleich – egal, ob man nun ein smarter oder weniger smarter Investor ist.

Also drücken wir die Daumen, dass die Reformvorschläge im nächsten Jahr umgesetzt werden und Deutschland unter der neuen Regierung endlich eine moderne, zukunftssichere Altersvorsorge erhält!

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Was halten Sie von den Reformvorschlägen zur Altersvorsorge?

Ich freue mich über Ihren Kommentar an leitwolfsview@lupusalpha.de.

 

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