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leitwolfs view - Kolumne von Lupus alpha

Lupus alpha

29.08.2023

KI macht Asset Management besser, die Performance aber nicht unbedingt

Eine neue Ausgabe der Kolumne von Lupus alpha. Diesmal mit Marvin Labod, Head of Quantitative Analysis

Die erste Aufregung rund um ChatGPT hat sich gelegt, die Entwicklung von Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (KI) läuft weiter – auch in der professionellen Kapitalanlage. Asset Manager, die offen für den Einsatz von KI sind, können Prozesse effizienter gestalten und so Mehrwert für ihre Kunden erzielen. Drängt sich die Frage auf: Kann KI auch überlegene Investmententscheidungen treffen? 

Marvin Labod,
Head of Quantitative Analysis

Künstliche Intelligenz ist ein mächtiges Werkzeug, das auch im Asset Management immer stärker Einzug hält. Manche Anwendungen sind schon im täglichen Einsatz, viele befinden sich noch in der Test- oder Entwicklungsphase. Hier ein paar Beispiele:

  • KI vereinfacht die Erstellung von Code, zum Beispiel für quantitative Analysen.
  • KI ermöglicht die Auswertung sehr großer Datenmengen, etwa im Optionsmarkt.
  • KI hilft, Datensätze vorab auf Plausibilität zu überprüfen.
  • KI unterstützt bei der Unternehmensanalyse, etwa Quartalszahlen im Zeitverlauf.
  • KI beschleunigt die Verarbeitung sehr großer Textmengen wie in Emissionsprospekten.
  • KI erlaubt Rückschlüsse aus Ton- und Videomaterial, zum Beispiel nach CEO-Statements.
  • Und noch einiges mehr … 

Derartige Anwendungen werden viele Prozesse im Asset Management in nicht allzu ferner Zukunft auf bisher ungeahnte Weise verändern. Sie werden schneller, sicherer, effizienter und damit besser. Aber kann KI auch überlegene Investmententscheidungen treffen?

Wenn es darum geht, Marktanomalien auszunutzen, um überdurchschnittliche Renditen zu erzielen, könnte man diese Frage zunächst mit „Ja“ beantworten. KI kann in Daten Muster erkennen und so Anomalien aufspüren, die im Markt noch nicht eingepreist sind. Allerdings: In effizienten Märkten bestehen derartige Anomalien nur extrem kurzfristig, weshalb sie sich nur mit Hochfrequenzhandel ausnutzen lassen.

Ein US-Unternehmen, das dies seit mehr als 40 Jahren mit quantitativen Methoden macht, ist zum Beispiel Renaissance Technologies, das unter anderem den geschlossenen Medallion Fund verwaltet und mit diesem immer wieder überragende Renditen erzielt hat. Grundlage dieser Leistung ist eine Research-Datenbank, die täglich um mehr als 40 Terabyte wächst. Im Einsatz sind 50.000 Computerkerne, die pro Sekunde 150 Gigabit globalen Datenaustausch ermöglichen. Hinter dem Erfolg steht also eine enorme Rechenleistung. Es ist nachvollziehbar, dass Unternehmen wie Renaissance Technologies KI als zusätzliches Werkzeug integrieren werden, um die Rechenleistung noch weiter zu verbessern.

 

Der Wissensvorsprung steckt nicht in den Daten

Abseits des Hochfrequenzhandels, wenn es darum geht, langfristig Alpha zu generieren, dürfte es KI eher nicht möglich sein, aus sich heraus überlegene Anlageentscheidungen zu treffen. Und das hat mehrere Gründe:

  • Alpha basiert auf Informations- und Wissensvorsprung. Beständig wiederkehrendes Alpha in Blue-Chip-Indizes zu erzielen ist äußerst schwer, da sämtliche Informationen praktisch sofort in die Kurse eingepreist werden. Daran kommt auch eine KI nicht vorbei.
  • Entscheidend für langfristiges Alpha sind letztlich Informationen, die im Markt noch nicht vorhanden sind. Solche Informationsineffizienzen gibt es bei Small und Mid Caps. Wer den Aufwand leistet, Unternehmen aus der zweiten Reihe über Jahre sehr eng und persönlich zu begleiten, kann sich einen Informationsvorsprung erarbeiten. KI hingegen kann nur vorhandene Daten quantitativ auswerten.
  • KI braucht ein stabiles Umfeld. Das Hautkrebsscreening zum Beispiel, in der Medizin das Paradebeispiel für erfolgreichen KI-Einsatz, adressiert ein solches stabiles Umfeld. Die Kapitalmärkte aber sind chaotisch. Emotionen und Interpretationen treiben sie an. Die gleichen Daten können so oder anders gedeutet werden. Das macht sie, wortwörtlich, für KI unberechenbar.

 

Vorsicht vor "KI-Washing"

Es gibt bereits Fonds, deren Anlageprozesse durch KI gesteuert werden. Diese Entwicklung ist noch jung, und wir warten ab, wie sich diese Produkte mittelfristig schlagen. Meine Prognose: Beim Versuch, unkorreliertes Alpha zu generieren, werden sie wahrscheinlich scheitern. In diesem Zusammenhang auch eine Warnung: Wo KI draufsteht, sollte auch KI drin sein. Mitunter steckt hinter einem Fonds, der KI im Namen trägt, lediglich eine quantitative Strategie. Gerade im Privatkundenbereich dürfte KI das nächste Label sein, mit dem Marketing betrieben wird. Bald könnte der Begriff „KI-Washing“ in der Anlegerpresse auftauchen.

Vielleicht noch schlimmer: Ein Asset Manager weiß im Zweifel selbst gar nicht mehr, was genau die KI in seinem Fonds tut. Dem Kunden wird eine Blackbox verkauft. Es ist für ihn nicht mehr nachvollziehbar, wie Anlageentscheidungen und letztlich die Performance eines Fonds zustande kommen. Das wird noch zunehmen, weil Anbieter heute schon auf fertige KI-Modelle zurückgreifen können und diese nicht einmal mehr selbst programmieren und trainieren müssen.

Wir befinden uns quasi noch im Wilden Westen der KI-Fonds. Die ersten wurden nach kurzer Zeit bereits wieder geschlossen. Bei anderen ist nicht nachvollziehbar, was sie wirklich tun. Diese Entwicklung bleibt zu beobachten. Der Mehrwert, den KI als Werkzeug in vielen Prozessen bietet, zeichnet sich dagegen jetzt schon eindeutig ab. Auch in unserem Quant-Team hält die neue Technologie Einzug: Immer, wenn ich durch unsere Büroetage laufe, sehe ich bei mindestens einer Kollegin oder einem Kollegen das offene ChatGPT-Fenster. Hauptanwendung: Unterstützung beim Coden. Der Effizienzgewinn ist immens und wir können mehr Zeit unseren Strategien widmen.

Weitere Informationen
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Annett Haubold
PR-Managerin, Communications
+49 69 / 36 50 58 - 7403
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Pia Kater
Pressesprecherin, Communications
+49 69 / 36 50 58 - 7401
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