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Lupus alpha

26.08.2024

Insolvenzen gehören zu einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft

Die neue Ausgabe der Lupus alpha Kolumne leitwolfs view

Alarmstimmung in Deutschland: 11.000 Unternehmens-Insolvenzen im ersten Halbjahr. Doch Insolvenzen sind gesamtwirtschaftlich nicht nur Belastung, sondern auch Teil einer kontinuierlichen Erneuerung. Erst dieser Prozess ermöglicht eine dynamische und damit wettbewerbsfähige Wirtschaft – selbst wenn es im Einzelfall schmerzhaft ist. Statt marode Strukturen künstlich am Leben zu erhalten, gilt es, Unternehmertum und Innovation zu fördern. Nur das sichert langfristig unseren Wohlstand.

Michael Frick, Managing Partner und CFO

Die Meldung über 11.000 Unternehmens-Insolvenzen im ersten Halbjahr hat für große Aufregung gesorgt. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2023 lag die Zahl der Insolvenzen bei gut 18.000. Angesichts der Nachrichten, die uns umgeben, ist die Aufregung verständlich: Die Wirtschaft in Deutschland stagniert und ist Schlusslicht in Europa. Das ifo-Geschäftsklima liegt am Boden, die Bürokratie ist überbordend und die Bundesregierung scheint mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein als mit den drängenden Problemen des Landes. Vor diesem Hintergrund wird die steigende Zahl der Insolvenzen oft als weiterer Beleg für die schlechte wirtschaftliche Lage Deutschlands angeführt. Ein prominentes Beispiel war zuletzt die Insolvenz von FTI Touristik, einem der größten Reiseveranstalter des Landes.

Doch ein Blick auf die historischen Insolvenzzahlen relativiert die Aufregung. Zunächst einmal haben mehr als 80 Prozent der betroffenen Firmen weniger als zehn Mitarbeiter. Großinsolvenzen mit mehreren tausend Entlassungen sind zwar schlagzeilenträchtig, aber insgesamt eher die Ausnahme. Außerdem gilt wie immer bei Statistik: „If you are in doubt, zoom out.“ Was uns der Blick auf das große Bild zeigt: In den Jahren 2003 und 2004 erreichten die Unternehmens-Insolvenzen in Deutschland jeweils 39.000. Seitdem ist ihre Zahl stetig gesunken, bis 2021 auf nur noch gut 14.000. Die seit dem vergangenen Jahr zu beobachtende Entwicklung deutet damit auf einen Nachholeffekt hin. Sie ist eher eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität, in der nur die wirklich zukunftsfähigen Unternehmen überleben.

Noch vor kurzem waren „Zombieunternehmen“ das Problem

Denn erinnern wir uns: Es ist nicht lange her, da sinnierten wir über „Zombieunternehmen“, die sich allein wegen der jahrelangen Nullzinspolitik und schließlich auch noch umfangreicher staatlicher Subventionen während der Corona-Shutdowns über Wasser halten konnten. Es wurde beklagt, dass unproduktive Firmen künstlich am Leben erhalten werden, was in letzter Konsequenz nur den notwendigen Strukturwandel behindere. Jetzt setzt dieser Prozess wieder ein, und damit viel zu oft auch ein alter Reflex: der Ruf nach Rettung. Die Corona-Krise war unbestritten ein Ausnahmeereignis. Doch spätestens seit Corona haben wir uns an Rettung gewöhnt, daran, dass der Staat jederzeit einspringt. Es wird als selbstverständlich genommen und wir sind irritiert, wenn es nicht passiert. 

Rettung ist der bequemere, aber auf Dauer der falsche Weg. Unternehmen, die im Wettbewerb ohne Hilfe nicht bestehen, verhindern einen gesunden Wandel und belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft. Insolvenzen sollten daher auch als notwendiger, wenn auch im Einzelfall schmerzhafter Bereinigungsprozess betrachtet werden, der zu einer stärkeren und widerstandsfähigeren Wirtschaft führt.

Hinter jeder Insolvenz stehen Menschen 

Natürlich geht es nicht nur um Statistik – hinter jeder Insolvenz stehen Menschen und deren persönliche Zukunft. Gleichzeitig bieten zahlreiche unbesetzte Stellen in der Wirtschaft Chancen, sich neu zu orientieren und in anderen Bereichen Fuß zu fassen. Zwar passt nicht immer die individuelle Qualifikation zu den Anforderungen neuer Stellen. Doch hier stehen dem Staat Instrumente zur Verfügung, um diesen im Einzelfall beschwerlichen Prozess sozial zu flankieren und zu unterstützen.

Um Beschäftigung zu sichern, braucht es einen gesunden wirtschaftlichen Wandel, der sowohl das Verschwinden alter Unternehmen als auch die Entstehung neuer umfasst. Denken wir an Joseph Schumpeters Konzept der „schöpferischen Zerstörung“. Es beschreibt den Prozess, in dem ineffiziente Unternehmen verschwinden und Platz für neue, innovative Firmen schaffen. Insolvenzen sind ein natürlicher und notwendiger Teil dieses Prozesses. 

Wir brauchen Unternehmertum und Innovationsgeist

Die wahre Herausforderung liegt darin, marode Strukturen nicht künstlich am Leben zu erhalten, sondern stattdessen eine gesunde und dynamische Wirtschaft zu entwickeln. Der Weg dorthin: Unternehmertum und Innovationsgeist fördern. Denn volkswirtschaftlich werden Insolvenzen erst dann zu einem echten Problem, wenn ihnen keine Gründungen gegenüberstehen. Um den wirtschaftlichen Wandel erfolgreich zu gestalten, müssen wir die Rahmenbedingungen für Gründungen verbessern. Es ist kein Geheimnis, dass hier noch sehr viel Luft nach oben besteht. Leider geht die Zahl der Gründungen schon seit Jahrzehnten zurück. 2023 hatten wir zwar mehr als 220.000 gewerbliche Existenzgründungen. Aber auch diese Zahl lässt sich erst im Kontext einordnen („zoom out“): 2012 waren es noch knapp 350.000.

In diesem Sinne sollten wir die aktuellen Insolvenzzahlen nicht als Bedrohung, sondern als Weckruf verstehen. Sie erinnern uns daran, dass wirtschaftlicher Erfolg nie selbstverständlich ist, sondern immer wieder neu erarbeitet werden muss. Dafür braucht es ein ordentliches Stück Deregulierung und vor allem Entbürokratisierung. Mit dem richtigen Mindset, klugen Investitionen in Bildung und Forschung sowie einem regulatorischen Umfeld, das Gründungen fördert statt behindert, kann Deutschland mutig den Wandel gestalten. Insolvenzen sind ein Teil des natürlichen wirtschaftlichen Zyklus, der Platz für Neues schafft. Nur so können wir die Herausforderungen der Zukunft meistern und eine starke, dynamische und innovative Wirtschaft aufbauen, die für alle Menschen in Deutschland Chancen und Perspektiven bietet.

Wie sehen Sie auf die steigenden Insolvenzzahlen? Ich freue mich über Ihren Kommentar an leitwolfsview@lupusalpha.de

 

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