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Deutschland nach der Wahl

24.02.2025

„Geopolitische Veränderungen für deutsche Wirtschaft viel wichtiger als Bundestagswahl“

Bürokratieabbau, Investitionsprämien, Steuersenkungen – die Parteien haben eine Menge Vorschläge gemacht, wie die deutsche Wirtschaft wieder flott gemacht werden soll. Nun ist gewählt. Und es wird munter darüber spekuliert, was kommen wird. Letztlich egal, meint Dr. Götz Albert, CIO bei Lupus alpha. Dafür nennt er drei Gründe.

Nun ist es raus: Es wird wieder eine große Koalition geben aus CDU/CSU und SPD. Wirklich überraschend ist das nicht, die Demoskopen haben Recht behalten. Jetzt wird viel über die Zukunft unter der neuen Regierung Friedrich Merz spekuliert: Bringt sie den großen Schub für die deutsche Wirtschaft, das Ende der düsteren Rezessionsjahre? Und wer wird sich durchsetzen von den zwei großen Parteien, die in der Wirtschaftspolitik doch oft konträre Vorstellungen haben? Kommt jetzt die allgemeine Investitionsprämie oder eher eine Steuersenkung für Unternehmen? Wird der Soli abgeschafft oder der Mindestlohn erhöht? Ich glaube vielmehr: Das Ergebnis der Bundestagswahl hat keine große Relevanz für die deutsche Wirtschaft und den deutschen Mittelstand. Dafür habe ich drei Gründe:

Konsens in Sachen Bürokratieabbau, Stimmung dreht 

Punkt 1: Wirtschaftspolitik ist wieder ein Thema. Es herrscht Einigkeit über Parteigrenzen hinweg: Die Bürokratie muss dringend abgebaut werden. Die Energiepreise müssen sinken. Hier wird in jedem Fall etwas passieren. Die Zeichen stehen auf Veränderung – auch weil angesichts des wirtschaftlichen Zurückfallens von Deutschland die Veränderungsbereitschaft zunimmt. Alle wissen, dass wir reformieren müssen. Wir haben hier kein Erkenntnis-, sondern vor allem ein Umsetzungsproblem.

Dr. Götz Alber, CIO und verantwortlich für den Bereich Portfolio Management bei Lupus alpha
„Alle wissen, dass wir reformieren müssen. Wir haben hier kein Erkenntnis-, sondern vor allem ein Umsetzungsproblem."
Dr. Götz Albert
CIO von Lupus alpha

Punkt 2: Eine neue Regierung mit neuem Personal wird auf jeden Fall positive Impulse bei der Wirtschaftsstimmung setzen. Denn viel „depressiver“ als in den vergangenen Monaten geht es ja gar nicht. Die Impulse hat Deutschland dringend nötig. Das Land leidet insbesondere darunter, dass in den vergangenen Jahren ein konsistentes wirtschaftspolitisches Gesamtkonzept fehlte, das kalkulierbare Rahmenbedingungen gesetzt hat. Das hat für viel Unsicherheit gesorgt. Zudem wird jede neue Regierung alles daransetzen, sich im Vergleich zur Ampel einiger zu präsentieren. Ein personeller Neuanfang – vor allem auch auf den wirtschaftlich wichtigen Ministerposten – kann darüber hinaus neue Lösungen ermöglichen. Eine erste Stimmungsaufhellung deutet sich übrigens schon an, die Talsohle scheint durchschritten. Etwa ist der Geschäftsklimaindex der Industrie in Deutschland zuletzt gestiegen. 

Massive Verteidigungsausgaben – gigantisches Konjunkturprogramm

Punkt 3, und der ist mir besonders wichtig: Viel Entscheidenderes als am 23. Februar ist einige Tage davor passiert, auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Für mich war das ein Moment ähnlich dem Mauerfall, nur weniger erfreulich. Die Konferenz markierte die Aufkündigung des alten westlichen Bündnisses. Wie US-Vizepräsident J.D. Vance in München mehr als deutlich machte, stehen die USA nicht mehr fest an der Seite Deutschlands und Europas. Momentan suchen sie sogar den Schulterschluss mit Russland. 

Das heißt: Europa und vor allem Deutschland müssen massiv aufrüsten, um überhaupt wieder verteidigungsfähig und unabhängiger von den USA zu werden. Europa muss in der neuen Weltordnung bestehen. Dabei wird es um viele Milliarden Euro in Rüstungsinvestitionen gehen, ob es uns gefällt oder nicht. Die Schuldenbremse wird und kann angesichts der Dramatik der Lage keine Rolle mehr spielen, auch für die neue Regierung nicht. Keine Regierung kann so fahrlässig sein, hier nicht zu investieren, auch wenn man sich dafür Mehrheiten aus anderen politischen Lagern holen müsste. Die Diskussion darüber ist auf europäischer Ebene längst entbrannt.

Dr. Götz Alber, CIO und verantwortlich für den Bereich Portfolio Management bei Lupus alpha
 „Die hohen Rüstungsausgaben werden ein sehr expansives Konjunkturprogramm für Deutschland und ganz Europa darstellen.“
Dr. Götz Albert
CIO von Lupus alpha

Was das alles für die Wirtschaft und die Kapitalmärkte bedeutet: Die Einigkeit in wichtigen Punkten und die Stimmungsverbesserung sind in jedem Fall erst einmal positiv. Und die hohen Rüstungsausgaben werden ein sehr expansives Konjunkturprogramm für Deutschland und ganz Europa darstellen. Dabei ist zu betonen, dass wir viel Industrie und viel Industrie-Knowhow haben. Zwar waren die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren alles andere als förderlich. Aber ihre Innovationsfähigkeit haben die deutsche Industrie und der deutsche Mittelstand noch nicht eingebüßt. Ganz im Gegenteil: Das ist der Kern unserer globalen Wettbewerbsfähigkeit. 

Um es klarzustellen: Dass Aufrüstung nun so wichtig ist, hat sich keiner gewünscht, auch ich nicht. Doch die geopolitische Lage hat sich dramatisch verändert. Wir müssen die neuen Realitäten anerkennen und aufrüsten, um den Frieden in Europa erhalten zu können.

Bloß keine lange Unsicherheitsphase

Worüber ich mir durchaus Sorgen mache: eine lange Regierungsbildung. Friedrich Merz hat abermals erwähnt, dass die neue Regierung bis Ostern steht. Das wären allerdings noch zwei Monate. Ein US-Kommentator schrieb kürzlich in einer Marktstudie, er könne das gar nicht fassen: In einer solchen geopolitischen Lage, in der Euch die Welt um die Ohren fliegt, wollt Ihr zwei Monate lang die Regierung ausloten? Und einen Konsens ausloten für viele Detailfragen der Sozial-, Wirtschafts-, Klima- und Migrationspolitik? Das können wir in diesen Zeiten nicht gebrauchen – so der Tenor. Das sehe ich auch so.

Auch wenn man es sich anders wünschte: Die Gewissheit, dass uns die USA sicherheitspolitisch uneingeschränkt zur Seite stehen, ist seit der Münchner Sicherheitskonferenz dahin. Ja, ich halte auch eine Senkung der Unternehmenssteuern für viel zielführender als breit gestreute Investitionsprämien, die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte für besser als eine Finanztransaktions- oder eine Vermögenssteuer. Aber das wirkt erst mittelfristig. Kurzfristig sollte es ein klares wirtschaftspolitisches Aufbruchsignal geben, das sofort die Stimmung verbessert. Und eine schnelle Mitarbeit an der europäischen Antwort an die USA und Russland – mit einem bedeutenden Beitrag der deutschen Industrie an der Sicherung des Friedens in Europa.

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