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29.10.2024

Deutschland muss resilient werden!

Die neue Ausgabe der Lupus alpha Kolumne leitwolfs view

Kennen Sie auch diese Videos von schwankenden Hochhäusern bei Erdbeben in Japan? Mir wird schon beim Zuschauen schwindelig – und das auf „erdbebensicherem“ Boden in Deutschland. Schäden? Kaum! Dabei werden anderswo in der Welt bei extremen Erdbeben ganze Landstriche dem Erdboden gleichgemacht. Was macht den Unterschied? Von Japan als Top-Experten in Sachen erdbebensicheren Bauens können wir viel für den Umgang mit Risiken und Krisen lernen.

von Dr. Markus Zuber, Partner und CSO von Lupus alpha

 

Erdbeben, Stürmen, kurz: heftigen Turbulenzen oder Krisen zu trotzen und nicht daran zu zerbrechen, das wird auch als Resilienz bezeichnet. Der Begriff stammt aus der Psychologie und bedeutet: Anpassungsfähigkeit an Krisen und Veränderungen. Er hat in den vergangenen Jahren Karriere gemacht in der Lebensoptimierungsszene. Tenor: (Lebens-) Krisen gibt es immer. Wichtig ist, sich nicht (langfristig) aus der Bahn werfen zu lassen und schnell wieder auf die Beine zu kommen.

„Lerne resilient zu sein durch kleine Krisen“

Resilienz ist nicht nur auf persönlicher Ebene gefragt. Prof. Dr. Markus Brunnermeier, der in Princeton lehrende deutsche Top-Ökonom, hat in seinem Buch „Die resiliente Gesellschaft“1 dargelegt: dass für Gesellschaften Resilienz entscheidend ist, nicht Robustheit. Er nutzt dafür das Bild von der Eiche und dem Schilfrohr, entliehen aus einer Fabel von Jean de La Fontaine: Die Eiche ist robust und hält starkem Sturm stand. Sie bricht aber, wenn der Orkan kommt. Das Schilfrohr biegt sich hingegen, ohne zu brechen, auch im heftigsten Sturm, ist also resilient.

Auf die Wirtschaft übertragen heißt das: Wir sollten uns nicht gegen alle Risiken absichern, sondern Volatilitäten und Krisen akzeptieren und dadurch die Fähigkeit zur Erholung entwickeln. „Lerne resilient zu sein durch kleine Krisen“, formuliert es Brunnermeier. Wir sollten also Gesellschaft und Wirtschaft nicht wie einen robusten Wolkenkratzer konzipieren, sondern wie ein resilientes Hochhaus, das im Wind oder Erdbeben schwanken kann. So, wie es die Japaner bauen.

Viel zu viel Klein-Klein

In Deutschland haben wir zwar praktisch keine Erdbebengefahr, Krisen unterschiedlichster Art haben wir allerdings mehr als genug: von der Corona-Pandemie über den Ukraine-Krieg samt Energiekrise, ständigem Regierungsstreit bis hin zum Dauerthema Zuwanderung. Und über allem schwebt die Klimakrise. Unserem Land geht es nicht wirklich gut: die marode Infrastruktur (Deutsche Bahn und die Dresdner Carola-Brücke lassen grüßen), jetzt wackeln auch noch Ikonen der deutschen Wirtschaft wie ThyssenKrupp. Darüber hinaus stecken wir in einer Phase schwachen Wirtschaftswachstums fest. Gemäß ihrer jüngsten Konjunkturprognose geht die Bundesregierung von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr von minus 0,2 Prozent aus. Nach minus 0,3 Prozent in 2023 wäre dies das zweite Rezessionsjahr in Folge. Nicht mal mehr zu den reichsten 20 (!) Ländern der Welt gehören wir, wie neue Daten des IWF zeigen.

Reserven für den nächsten Schock aufbauen

Ein Grund könnte sein, dass wir alles bis ins Kleinste regeln wollen und immer mehr Bürokratie und Verbote aufstellen statt Richtwerte. Kurz: Wir streben zu sehr nach „Robustheit“, also nach Vermeidung jeglicher Krisen. Risiken eingehen? Lieber nicht! Was wir stattdessen brauchen, ist eine resiliente Gesellschaft und Wirtschaft, die sich flexibel auf Krisen einstellt. Laut Brunnermeier heißt das:

  • Reserven für den nächsten Schock aufbauen, also Schulden zurückfahren.
  • Auf gut funktionierende Märkte mit echten Preissignalen setzen.
  • Bezugsquellen diversifizieren und gegebenenfalls auch Schlüsselprodukte „reshoren“.
  • Bildung und Ausbildung stärken, damit Menschen individuell besser auf Schocks reagieren können.
  • Und in der Klimakrise nicht Konsumverzicht einfordern (das wäre eine „robuste" Methode), sondern auf Innovationen setzen, notfalls durch CO₂-Steuern und andere Abgaben angeregt.

Zu teuer und wachstumshemmend? Im Gegenteil! „Eine resilientere Gesellschaft erfreut sich langfristig eines stärkeren Wachstums, weil sie Schocks besser absorbieren kann“, schreibt Brunnermeier.

Wir haben es schon einmal geschafft

Eine solche Resilienz aufzubauen – das ist auch in Deutschland möglich. Wir sind zwar (oder waren es zumindest mal) eher bekannt für Optimierung peu à peu, nicht für Flexibilität und Schnelligkeit. Außerdem gibt es, darauf weist Brunnermeier auch hin, noch „Vernarbungen“ durch die Pandemie. Schwere Krisen können Menschen pessimistischer und risikoscheuer machen.

Dennoch bin ich davon überzeugt: Wir können es schaffen! Die Gaspreiskrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine haben wir auch bewältigt und innerhalb kürzester Zeit Lieferquellen diversifiziert sowie LNG-Terminals gebaut. In der Corona-Krise haben wir in Rekordzeit Impfstoffe entwickelt und das Land – trotz aller berechtigter Kritik an Detaillösungen – ganz gut durch die Pandemie gebracht. Und 2003 haben wir als „kranker Mann Europas“ mit der Agenda 2010 eine Wende hingelegt und hoher Arbeitslosigkeit und lahmender Wirtschaft ein Ende bereitet.

Eines ist klar: Die nächste Krise kommt bestimmt. Vielleicht wieder eine Pandemie. Oder ein Cyber-Angriff, der unsere Infrastruktur lahmlegt. Oder eine Eskalation des Ukraine-Kriegs. Dafür müssen wir resilient werden, nicht robust.

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1 Prof. Dr. Markus K. Brunnermeier: Die resiliente Gesellschaft, Wie wir künftige Krisen besser meistern können, Gewinner des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises 2021, Aufbau Verlag.

Wie kann Deutschland Ihrer Meinung nach krisenfester werden?

Ich freue mich über Ihren Kommentar an leitwolfsview@lupusalpha.de.

Warum auch Kapitalmarktinvestoren mehr Resilienz brauchen, erläutert Prof. Dr. Markus Brunnermeier in seinem aktuellen Kurzvideo mit Lupus alpha. Schauen Sie mal rein! 

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