top
leitwolfs view- Kolumne von Lupus alpha
31.05.2023

Deindustrialisierung Deutschlands: Fünf Punkte, die jetzt anzupacken sind!

leitwolfs view - Die Kolumne von Lupus alpha mit einer neuen Ausgabe.

Deindustrialisierung ist das neue Angstwort in Deutschland. Auslöser sind vor allem die umfassenden Subventionsmaßnahmen des "Inflation Reduction Acts", der die Attraktivität der USA als Investitions- und Produktionsstandort massiv erhöht hat. Es gibt Befürchtungen, dass Unternehmen abwandern und der Standort Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Diese Sorgen sind durchaus berechtigt, das Phänomen ist aber nicht neu - und vor allem hausgemacht.

Den strukturellen Trend der Deindustrialisierung gibt es in Deutschland leider schon seit rund zehn Jahren. Das liegt vor allem daran, dass wir hierzulande viel zu wenig dafür getan haben, die Standortbedingungen für Unternehmen zu verbessern. In der Folge hat sich das Umfeld für Investitionen und Innovationen in Deutschland nur noch verschlechtert.

Nehmen Sie die Automobilindustrie als Beispiel. Von München bis Wolfsburg ist die Fahrzeugproduktion in den letzten zehn Jahren um 36 Prozent eingebrochen. Fertigten die Autokonzerne 2012 noch rund 5,6 Millionen Pkw und Kleintransporter, waren es gemäß des Informationsdienstes MarkLines 2022 nur noch 3,6 Millionen. Der Rückgang ist vor allem auf die hohen Löhne, Steuern und Energiepreise zurückzuführen. Der Wandel zur E-Mobilität, den Deutschland lange Zeit verschlafen hat, verschärft diesen Trend noch. Bitter für unsere einstige Vorzeigebranche.

Deutschland steigt bei Innovationskraft und Standortbedingungen ab

Auch unsere Innovationskraft ist nicht mehr das, was sie mal war. Die Zahl der deutschen Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt stagniert seit Jahren, während Patente aus Asien, allen voran aus China, stark aufgeholt haben. Insbesondere bei den Patentanmeldungen für digitale Schlüsseltechnologien kommen deutlich weniger aus Deutschland als aus China, Japan und den USA. Zudem fehlt es hierzulande an Wagniskapital und Weitblick. Während Washington und Peking Milliarden in KI- und Blockchain-Technologien investieren, debattiert man hierzulande lieber endlos über die Frage des Datenschutzes. So fallen wir bei den Schlüsseltechnologien immer weiter zurück.

Dass sich die Standortbedingungen in Deutschland kontinuierlich verschlechtert haben, zeigt auch der aktuelle Länderindex Familienunternehmen des ZEW Mannheim. Als Folge der relativen Standortschwächen in den Bereichen Regulierung, Steuerbelastung, Energie und Infrastruktur befindet sich Deutschland nur noch auf Platz 18 unter den 21 betrachteten Industriestaaten, ist also viertletzter. Unfassbar, dass die Politik es so weit hat kommen lassen!

Unsere Politik muss jetzt handeln, wenn sie das Ruder noch herumreißen will. Fünf Punkte, um den Innovations- und Industriestandort Deutschland wieder attraktiv zu machen:

1. Bürokratische Hürden abbauen
Deutschland muss dringend bürokratische Hemmnisse beseitigen und seine langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Während Unternehmen bei uns häufig die Erfahrung machen, dass ihnen Steine in den Weg gelegt werden, laufen diese Prozesse in anderen Ländern wesentlich einfacher und unkomplizierter. Aber statt Bürokratien abzubauen, werden ungebremst neue aufgebaut: Mit dem neuen Lieferkettengesetz kommen weitere Pflichten und enorm hoher bürokratischer Aufwand für die Unternehmen hinzu - ein zusätzliches Investitions- und Ansiedlungshemmnis. Inzwischen wird Deutschland schon als "Silicon Valley der Regulierung" belächelt. Es ist höchste Zeit für die Umsetzung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Bürokratieentlastungsgesetzes!

2. Steuerlast senken
Die Steuerlast in Deutschland ist hoch und setzt falsche Anreize. Einkommen werden bei uns schon ab 11.000 Euro besteuert, mit 62.000 Euro Jahreseinkommen zahlen Sie bereits den Spitzensteuersatz. Zudem sind wir Weltmeister in der Umverteilung von den Arbeitenden zu den Empfängern sozialer Leistungen. Über 40 Prozent der deutschen Wähler beziehen ihr Geld als Sozialleistungen und Renten vom Staat, der dafür mehr als die Hälfte des Volkseinkommens für seine Zwecke absorbiert. Die Steuern, mit denen dieser Staatsanteil finanziert wird, hemmen die private Wirtschaftstätigkeit. Liebe Politiker, traut Euch endlich an eine radikale Steuerreform!

3. Fachkräftemangel stoppen
Wir haben ein ernsthaftes demografisches Problem, unsere Workforce schrumpft. Ohne gut ausgebildete Fachkräfte können unsere Unternehmen aber nicht wachsen. Diese Probleme sind seit Jahren bekannt, doch die Politik hat es bis heute nicht geschafft, eine qualifizierte Zuwanderung zu organisieren und ausländischen Fachkräften die Arbeitsaufnahme in Deutschland zu erleichtern. Dabei gibt es genug vorbildliche Lösungen in anderen Ländern wie zum Beispiel Kanada. Immerhin hat die Ampelkoalition nun endlich ein Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung auf den Weg gebracht, das kurz vor der Verabschiedung steht. Es bleibt abzuwarten, ob und wie schnell dieses Wirkung zeigt.

4. Energieversorgung sicherstellen
Die Bedingungen für Unternehmen in Deutschland - vor allem aus den energieintensiven Branchen - haben sich durch den Ukraine-Krieg und die Lage an den Energiemärkten dauerhaft verschlechtert. Dabei könnten wir das Energieproblem lösen, wenn wir es wirklich wollen würden! Doch statt konstruktiv festzulegen, wie die erneuerbaren Energien schnellstmöglich ausgebaut werden können (und welche Lösungen gefunden werden müssen, wenn die Erneuerbaren nicht liefern können), streitet die Ampel endlos über die richtigen Maßnahmen und verliert sich im Kleinklein. Diese planlose Energiepolitik führt dazu, dass kein Unternehmen mehr bereit ist, in Deutschland zu investieren. Unsere Regierung muss hier dringend Rahmenbedingungen schaffen, die Sicherheit und Kalkulierbarkeit gewährleisten. Sonst werden zunehmend mehr Unternehmen mit den Füßen abstimmen.

5. Innovationen fördern
Deutschland ist zwar traditionell erfinderisch, aber die Früchte sammeln oft andere ein. Um das so genannte "Tal des Todes" zwischen Erfindung und fertigem Produkt zu überbrücken, brauchen Start-ups in Deutschland vor allem einen besseren Zugang zu Venture Capital. Oft bleibt den Start-ups hierzulande nach der Frühphasenfinanzierung der Zugang zu weiteren Finanzspritzen im großen Stil verwehrt, wie es zum Beispiel in den USA die Regel ist. Mit ihrer neuen Start-up-Strategie will die Regierung zwar gegensteuern und die Mittel aus dem Zukunftsfonds aktivieren. Aber auch hier gilt: Eine Strategie ist nur so gut wie ihre Umsetzung.

Dass es in Deutschland trotz der strukturellen Probleme erfolgreiche Unternehmen gibt, zeigen unsere täglichen Gespräche mit kleinen und mittleren Unternehmen.

Ein gutes Beispiel dafür ist Carl-Zeiss Meditech. Das innovative Unternehmen stellt chirurgische Instrumente u.a. für die Augenheilkunde her und hat beispielsweise ein minimal-invasives Laserverfahren zur Augenkorrektur erfunden, welches die herkömmliche LASIK-Methode immer mehr ablöst. Oder nehmen Sie SGL Carbon, eines der weltweit führenden Unternehmen bei der Entwicklung und Herstellung von kohlenstoffbasierten Lösungen. Es stellt spezielle Graphitmaterialien her, die für die Produktion von Halbleitern, Lithium-Ionen-Batterien oder Solarzellen benötigt werden. Oder der Maschinenbauer für die Halbleiterindustrie Aixtron. Bei der effizienten Wandlung von Strom ist das Unternehmen mit einem Marktanteil von 40 Prozent weltweit führend. Durch seine Technologie, die zum Beispiel Autobatterien mit mehr Reichweite und kürzeren Ladezeiten ermöglicht, ließen sich 50 Megatonnen CO2 jährlich einsparen.

Wenn ich mir diese Beispiele vor Augen halte, ist mir um die deutsche Wirtschaft nicht bange. Wir sollten uns auch nicht kleiner machen als wir sind, andere Länder haben auch ihre Probleme. Wir müssen nur jetzt unsere Hausaufgaben machen und die Standortbedingungen nach Jahren des Stillstands endlich wieder verbessern, statt sie weiter zu verschlechtern. Dann hat das deutsche Geschäftsmodell auch wieder eine Zukunft.

Weitere Informationen
Allgemeine Fragen oder Anregungen:
Annett Haubold
PR-Managerin, Communications
+49 69 / 36 50 58 - 7403
PRESSE
Pia Kater
Pressesprecherin, Communications
+49 69 / 36 50 58 - 7401
ZUM PRESSEBEREICH